„Evangelium ist das, was Menschen aufrichtet“ – Rede von Lars Esterhaus zur Einführung von Bernhard Lauxmann

veröffentlicht 13.10.2025 von Redaktion (Ln), Ehrenamtsakademie

Dr. Lars Esterhaus, der Leiter der Kirchenverwaltung, sprach bei der Segensfeier mit Einführung von Dr. Bernhard Lauxmann in Darmstadt über die Aufgabe der Ehrenamtsakademie – mit Gedanken zu kirchenleitendem Handeln, Ehrenamt und Evangelium. Auf Wunsch vieler veröffentlichen wir seine Rede vom 20. September 2025 hier in voller Länge.

Lieber Bernhard Lauxmann, 
liebe Ehrenamtsgemeinde,

Evangelium ist das, was Menschen aufrichtet!

Wir sind heute hier, um Herrn Privatdozenten Dr. Bernhard Lauxmann in sein neues Amt als Leiter der Ehrenamtsakademie einzuführen. Das ist eine bedeutende Zäsur für die und ein guter Zeitpunkt sich zu fragen, was ist eigentlich die Aufgabe der Akademie – und damit die Aufgabe ihrer Leitung.

Zunächst hilft ein Blick ins Gesetz: § 1 Rechtsverordnung für die Arbeit der Ehrenamtsakademie. „Die Ehrenamtsakademie berät Ehrenamtliche und beschäftigt sich mit Fragen der Weiterentwicklung des Ehrenamts in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie fördert Ehrenamtliche in institutionellen Leitungsämtern.“

Aber wie das so ist mit Rechtstexten: Sie setzen oft viel mehr voraus als sie selbst regeln. Und das ist auch gut so: rechtliche Normen vollziehen inhaltliche Prozesse und gestalten deren Umsetzung. Will man wirklich verstehen, was ist, dann muss man genauer nachdenken.

Vielleicht hilft ein Blick in die Geschichte: Ich bin auf ein spannendes Dokument aus dem Jahre 2004 – unmittelbar also nach Gründung der Ehrenamtsakademie – gestoßen. Das ist soweit ersichtlich die erste Konzeption der Qualifizierungsangebote der Ehrenamtsakademie: „Wenn die Kirche für sich in Anspruch nimmt, auf der Grundlage des Evangeliums das Leben der Menschen zu begleiten, muss sie sich fortwährend verändern. Sie muss sich mit verändernden Lebensbedingungen, mit neuem Denken und mit einem sich wandelnden Lebensgefühl der Menschen auseinandersetzen. (…) In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Veränderungen nur dann verträglich umgesetzt werden können, wenn diejenigen, die Verantwortung tragen, sich diesen Herausforderungen qualifiziert und motiviert stellen.“

Ecclesia semper reformanda – auch unter Bildungsgesichtspunkten. Damit ist – gut reformatorisch – dem Reflektieren über die Ehrenamtsakademie eine klare Orientierung vorangestellt: Was immer an Aufgaben erledigt wird, es kann nur von der sich wandelnden Kirchen her geacht werden. Oder um es theologischer auszudrücken: Die Ehrenamtsakademie und damit ihre Leitung, lieber Bernhard Lauxmann, ist mit ihren vielfältigen Aufgaben in das Kommunikationsgeschehen des Evangeliums hineingenommen.

Aber was kann das heißen, seine Aufgaben auf der Grundlage des Evangeliums zu denken? Ist das eine der in der Kirche manchmal üblichen Leerformeln, die schön klingen, aber nicht weiterhelfen? Ich begebe mich mit dieser Frage auf glatten Untergrund, ist doch Bernhard Lauxmann ein ausgewiesener Kenner der Diskurse um die Kommunikation des Evangeliums.

Ich selbst – Sie gestatten diese kleine Anekdote – habe das in einem unserer von mir geschätzten Gespräche etwas leidlich erfahren. Lauxmann spricht mich zum Abschluss auf meine Vorstellung der Formel von der Kommunikation des Evangeliums an. Und ich – ganz Amateur auf diesem Gebiet – berichte stolz, dass nach meiner Auffassung auch die Arbeit in der Verwaltung, natürlich Sie ahnen es, irgendwie Kommunikation des Evangeliums sei. Seine Antwort wirkt in mir bis heute nach – kann man wirklich sagen, man arbeite an der Kommunikation des Evangeliums mit oder gehe es nicht, wörtlich, lediglich darum, der Kommunikation des Evangeliums nicht im Weg zu stehen. Und ich ahne, ich hatte lapidar über etwas verfügen wollen, was doch – Gott sei Dank – unverfügbar ist.

Und dennoch: In aller Unverfügbarkeit lässt sich die Formel von der Kommunikation des Evangeliums, so denke ich, für die tägliche Arbeit fruchtbar machen. Bernhard Lauxmann hat dies in vielen Beiträgen herausgearbeitet. Er plädiert dafür, Zitat, „Evangelium stärker funktional zu denken und die erbauliche Dimension des Begriffes in den Fokus zu rücken: Menschen kommen – im besten Fall – durch Kommunikation des Evangeliums (wieder) als Subjekte zum Vorschein und erfahren sich als integrale Entscheidungsinstanzen ihres Lebens und Glaubens.“ Oder, um nicht den Wissenschaftler, sondern den Prediger Lauxmann zu zitieren: „Evangelium ist das, was Menschen aufrichtet.“

Dieser scharfe Satz, Ihr scharfer Satz, begleitet mich in den letzten Tagen der Vorbereitung. Und er verknüpft sich für mich ganz natürlich mit den eingangs beschriebenen Aufgaben der Ehrenamtsakademie: Es geht um Lebensbegleitung von Menschen und zwar auf der Grundlage des Evangeliums. Wenn wir uns dabei an Bernhard Lauxmanns Bestimmung des Evangeliumsbegriffs orientieren, dann steht vor allem der Mensch und seine Subjektbildung im Vordergrund. Menschen auszurüsten, zu befähigen, zu ermächtigen – im besten Sinne des Wortes: „das Beste aus sich selbst rauszuholen“ – das ist eine, so denke ich, zutiefst evangelische Aufgabenbestimmung der Ehrenamtsakademie und damit auch Ihre Aufgabenbestimmung.

Wir übertragen vielen Ehrenamtlichen eine Fülle von verantwortungsvollen Aufgaben. Und damit ist nicht nur die Gestaltung von bunten Nachmittagen oder dem Kirchenkaffee im Anschluss an den Gottesdienst gemeint, so wichtig das ist. Hier geht es um Anteil auch am Leitungsamt unserer Kirche – um die Einheit von, wie wir sagen, rechtlicher und geistlicher Leitung. Und insbesondere in der Konstruktion der Kirchensynode ist das ja hinreichend sichtbar abgebildet. Sie ist maßgebliches Organ unserer kirchlichen Verfasstheit und setzt sich – wie übrigens auch die Kirchenleitung – aus Haupt- und Ehrenamtlichen zusammen.

Ich habe dazu in der vergangenen Woche bei der Einführung des neuen Dezernenten etwas gesagt, dass ich hier gerne wiederhole: ich erlebe landauf landab – Menschen, die mit ganzem Herzen und ganzem Gemüte bei ihrer Aufgabe, bei den ihnen Anvertrauten und bei ihrer Kirche sind. Und das ist eine ganz inspirierende Erfahrung. Und ich bin all denen, die trotz allem, was wir ihnen zumuten, so hart und by heart arbeiten in unserer Kirche von Herzen dankbar – wir machen es gerade denen oft besonders schwer. Also nehmen Sie wahr, wir sehen das. Wir sind sehr Ihnen dankbar dafür.

Sechzigtausend Ehrenamtliche in der EKHN – das ist ein großer Schatz für Gesellschaft und Kirche. Diesen Schatz zu pflegen und zu schützen – um nicht zu sagen: zu bebauen und zu bewahren – ist eine wichtige Aufgabe kirchenleitenden Handelns.
Dazu gehört natürlich eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung. Darin üben wir uns oft noch. Es gehört auch dazu – Sie gestatten diesen Nebensatz – Strukturen und Verfahren so zu organisieren, dass Ehrenamtliche gut und verantwortbar handeln können. Sie zu schützen vor struktureller Überforderung – das ist keine Negation des Ehrenamtes, sondern seine essentielle Gelingensvoraussetzung.

Aber vor allem – und damit soll sich ein Kreis schließen – geht es um Qualifikation und Befähigung von Menschen. Das ist mit dem Begriff Fortbildung nur sehr unzureichend ausgedrückt. Im Kern geht es doch die um Stärkung von Autonomie und Selbstbestimmung. Menschen auszurüsten, sie in die Lage zu versetzen, der übertragenen Verantwortung gerecht zu werden, das ist die Aufgabe. Und Sie hören den Subjektbegriff klingen. Ein starkes, ein befähigtes, ein ermächtigtes Subjekt ist die Bedingung der Möglichkeit gelingender Arbeit in der Kirche.

Dazu gehören eine Vertrauenskultur in der Organisation und die Bereitschaft zur Delegation von Verantwortung auf allen Hierarchieebenen, eine entsprechende Qualifizierung von Menschen und passende Kommunikationssysteme. Und dies
zu ermöglichen, zu fördern und auszubauen – dazu müsste man die Ehrenamtsakademie erfinden, wenn es sie nicht schon gäbe.

Und dies in Verknüpfung zu setzen mit der Kommunikation des Evangeliums, das macht den entscheidenden Unterschied. Dazu nochmal Lauxmann: Das Evangelium bildet „Glaubende als mündige Bürger und Bürgerinnen, die mit der Kategorie des Menschseins und der Lebensdienlichkeit etwas anzufangen wissen, und richtet diese Menschen als Subjekte auf und stärkt sie in ihren Positionen. Derart gebildete Menschen sind die beste Ressource für eine Gesellschaft, in der die Würde und Freiheit von Menschen gewahrt ist. Mit solchen Menschen lässt sich Zukunft gestalten.“ Ich ergänze: Auch die Zukunft unserer Kirche.

Sie sehen, lieber Bernhard Lauxmann, wir übertragen Ihnen eine wirklich große Aufgabe. Und man könnte – auch in Ansehung knapper werdender Ressourcen – an dieser Herausforderung schier verzweifeln. Und genau aus diesem Grund führen wir Sie in diesem Gottesdienst ein. Ich habe gesprochen von der aufrichtenden, ermächtigenden Perspektive des Evangeliums und damit zunächst die Aufgabe der Ehrenamtsakademie reflektiert.

Jetzt spreche ich Sie an: Wir bezeugen hier und heute unseren Glauben, wie Sie oft in Seminaren formulieren, an das Evangelium als Lebenskraft, die aufrichtet. Und das sprechen wir Ihnen heute zu. Erinnernd, bestätigend, verheißend: Evangelium richtet auf – Evangelium rüstet aus – Evangelium ermächtigt: Es wird auch Sie aufrichten, ausrüsten und ermächtigen.

Oder mit den Worten eines anderen gesprochen: Sei stark und mutig! Lass dich nicht einschüchtern und hab keine Angst. Denn ‘ich’, der HERR, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst.

Die Rede kann auf YouTube nachgehört werden: Hier klicken.